Vereinbarung zwischen den Staatlichen Studienseminaren für das Lehramt an Sonderschulen in Kaiserslautern und Neuwied (Entwurf): Seminarkonzept Stand 01.08.2002
Fachrichtung Geistigbehindertenpädagogik
1. Grundlagen, Aufgaben und Ziele
Die Aufgabe der Schule mit dem Förderschwerpunkt ganzheitliche Entwicklung beinhaltet das Bilden, Erziehen und Unterrichten unter dem Aspekt der Selbstverwirklichung in sozialer Integration.
Da diese Schule grundsätzlich keine Einschränkung der Bildungsfähigkeit bzw. Schulbildungsfähigkeit kennt, gilt es, die Schüler mit unterschiedlichsten Bedingungen gemäß ihren Möglichkeiten und Bedürfnissen zu fördern.
Dies verlangt von Sonderschullehramtsanwärter/innen
- eine bedingungslose Annahme der Schülerinnen und Schüler
- das Vertrauen in die Fähigkeiten und Kräfte der Schülerinnen und Schüler als handelnde Personen im Lernprozess
- Schülerinnen und Schüler als Akteure ihrer eigenen Entwicklung zu verstehen.
Für die Ausbildung in der Fachrichtung Geistigbehindertenpädagogik lassen sich aus diesen Überlegungen Handlungskompetenzen als grundlegende Fähigkeiten ableiten, die sich gleichzeitig auf Lehrende und Lernende beziehen. Die aufgelisteten Kompetenzbereiche wirken stets zusammen und können nicht unabhängig voneinander behandelt werden:
- Personalkompetenz (Ich-Kompetenz)
Personalkompetenz heißt für alle am Interaktionsprozess Beteiligten mit sich und anderen in Alltagssituationen souverän, verantwortlich und taktvoll umzugehen.
Menschenbild und Wertesysteme sind von tragender Bedeutung.
- Sozialkompetenz
Sozialkompetenz meint einen dialogischen Umgang in Situationen und Sachverhalten des Lebens, d.h. Verantwortung für sich und andere erkennen, übernehmen und gestalten.
Eigene Wertesysteme werden entwickelt und reflektiert.
- Methodenkompetenz
Methodenkompetenz meint den methodischen Umgang in Situationen und Sachverhalten des Lebens. Methoden sind nicht Selbstzweck sondern vielmehr Hilfen auf dem Weg zum Leben. Voraussetzung dafür sind Selbstständigkeit, Planungs- und Entscheidungsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Initiative, Eigenverantwortung und lebenslange Lernbereitschaft.
- Sachkompetenz
Sachkompetenz heißt in Situationen und mit Sachverhalten sachgemäß umzugehen. Im Prozess des Dialogs werden über konkretes Handeln, die Anschauung und mit sprachlicher Begleitung Begriffe gebildet, die ein Aneignen der äußeren Welt in die eigene ermöglichen.
2. Ausbildungsschwerpunkte
2.1. Ausbildungsschwerpunkt innerhalb der Kompetenzbereiche
Personalkompetenz und Sozialkompetenz
- Beziehungen aufbauen, gestalten und erhalten
- Gruppenprozesse fördern, initiieren und prozess- und produktorientiert begleiten
- Lehrerinnen und Lehrer als Lehrende und Lernende im Interaktionsprozess verstehen
- Konflikte wahrnehmen, einschätzen und ihnen mit geeigneten Strategien begegnen
- Kommunikation gestalten
- Selbstkonzept als Lehrer entwickeln
- Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung einüben
- Selbsterhaltung gewährleisten und belastende Situationen aushalten lernen
- Verantwortung im schulischen Alltag übernehmen
Dazu können u.a. folgende typische Alltagssituationen benannt werden:
- Elternarbeit
- Gesprächsführung
- Unterricht planen, durchführen und reflektieren
- Zusammenarbeit im Team (mit anderen Fachkräften, mit Institutionen)
2.2. Ausbildungsschwerpunkt innerhalb der Kompetenzbereiche
Methodenkompetenz und Sachkompetenz
- Besondere Berücksichtigung der Lebensbedeutsamkeit
- Differenzierungsmaßnahmen
- Durchgängige Berücksichtigung von Unterrichtsprinzipien
- Einsatz und Gestaltung lebensbedeutsamer Realsituationen
- Einsatz und Gestaltung von Medien
- Entwicklungsmodelle
- Exemplarität eines Unterrichtsthemas
- Handlungsorientierter Unterricht
- Sach- und schülerorientierte Erarbeitung und Umsetzung einer Thematik
- Unterrichtsformen: offene und gelenkte Unterrichtssituationen
2.3. Seminarthemen (in alphabetischer Reihenfolge)
Die Auswahl der Themen orientiert sich an den Fachrichtungskombinationen und den jeweils spezifischen Ausbildungsbedingungen der Sonderschullehramtsanwärter/innen.
Aspekte der Unterrichtsplanung, der Unterrichtsvorbereitung und der Reflexion von Unterricht werden während der Ausbildung fortlaufend berücksichtigt und vermittelt. Dies betrifft unter anderem die Kooperation, die Teamarbeit, die Vorbereitung einer Unterrichtsstunde / einer Unterrichtseinheit mittels Minimal- und Maximalplanung, die Erstellung individueller Förderpläne.
Die im weiteren aufgeführten Themenbereiche sind während der gesamten Ausbildungszeit an dem gültigen rheinland-pfälzischen Lehrplan und den entsprechenden Richtlinien orientiert und müssen diese Vorgaben für die unterrichtliche Arbeit ständig berücksichtigen.
· Ästhetische Erziehung als Unterrichtsprinzip
Ein umfassendes mehrdimensionales Verständnis ästhetischer Erziehung wird als Ausgangspunkt dieses Themenbereiches vorausgesetzt.
Neben grundlegenden Erfahrungen im Umgang mit Farben, Gestaltungstechniken, Klängen und nonverbaler Ausdrucksmöglichkeiten steht gleichgewichtig das Initiieren von Lernprozessen in allen Wahrnehmungsbereichen und die Förderung individueller kreativer und selbstbestimmter Ausdrucksformen.
Innerhalb ausgesuchter Unterrichtsthemen sind Gewichtungen (z.B. ein Theaterspiel, ein Instrumentalkreis) und Verknüpfungen mit anderen Lernbereichen (z.B. in der Mathematik) denkbar und anzustreben.
· Förderdiagnostik und Unterrichtsbeobachtung
Die Sonderschullehramtsanwärter/innen lernen in der Ausbildung Anlässe für Förderdiagnostik kennen. Neben der Erstellung eines Gutachtens, das den sonderpädagogischen Förderbedarf von Kindern und Jugendlichen mit dem Förderbedarf ganzheitliche Entwicklung beschreibt, ist dies vor allem die Ausarbeitung von individuellen Förderplänen, die die Rahmenbedingungen berücksichtigen. Im Sinne einer prozesshaften Fortschreibung dieser spezifischen Förderpläne wird durch unmittelbare und stetige Beobachtung regelmäßig überprüft, ob die ursprünglich formulierten Förderkonzepte noch angemessen sind.
Förderdiagnostik ist keine Defizitbeschreibung, sondern versucht die Stärken und Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen zu finden. Sie ist ganzheitlich, systematisch und mehrdimensional angelegt und an der Person orientiert. Die Sonderschullehramtsanwärter/innen lernen die
o Beschreibung individueller Fähigkeiten, Interessen und Handlungsstrategien
o Erhebung des momentanen Lern- und Entwicklungsstandes
o Schilderung individueller Förderbedürfnisse und -notwendigkeiten.
Beobachtete Aktivitäten werden mehrperspektivisch ausgewertet, es werden theoriegeleitete Hypothesen erstellt und der konkrete Förderbedarf für verschiedene Förderbereiche abgeleitet. Im Unterricht muss dies immer wieder neu überprüft werden.
· Computereinsatz in der SFG
Der Computer gewinnt in der heutigen Zeit immer mehr an Bedeutung; auch Schülerinnen und Schülern mit dem Förderbedarf ganzheitliche Entwicklung leben im ‘Multimedia-Zeitalter’ Im Hinblick auf das Ziel „Selbstverwirklichung in sozialer Integration“ ist diese Thematik auch für die Ausbildung von Bedeutung.
Die Sonderschullehramtsanwärter/innen sollen sich mit Kritikpunkten und den Vor- und Nachteilen eines Computereinsatzes in der SFG auseinandersetzen.
Die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten in allen Lernbereichen (Motorik, Wahrnehmung, Sprache und Kommunikation, Denken, ästhetische Erziehung, Lesen, Schreiben, Mathematik u.a.) werden aufgezeigt und verhandelt. Zugleich wird deutlich gemacht, dass der Einsatz des Computers eines verantwortungsbewussten und reflektierten Einsatzes bedarf.
· Deutsch
Den Bereichen sprachlicher Ausdruck, Lesen und Schreiben kommen an der Schule mit dem Förderschwerpunkt ganzheitliche Entwicklung eine besondere Bedeutung im Hinblick auf eine selbstbestimmte Lebensführung und unter dem Ziel ‚Selbstverwirklichung in sozialer Integration’ zu. Themen aus diesem Bereich sind eng verknüpft mit dem Bereich ‚Kommunikation’ und ergänzen diesen.
Eine wesentliche Grundlage bildet der erweiterte Lese- und Schreibbegriff, d.h. Lesen und Schreiben auf verschiedenen Abstraktionsstufen. Dies ermöglicht allen Schüler/innen mit dem Förderbedarf ganzheitliche Entwicklung in einem differenzierten Unterricht die Teilnahme am Leselern- und Schreiblernprozess.
Die Sonderschullehramtsanwärter/innen sollen neben der Aneignung des Wissens um die spezifischen Sichtweisen von Sprechen, Lesen und Schreiben sich befähigen, geeignete Lese- und Schreiblehrgänge (verbunden mit sprachunterstützenden Systemen, wie z.B. Gebärden) individuell und differenziert entsprechend der Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler mit dem Förderbedarf ganzheitliche Entwicklung didaktisch-methodisch begründet und diagnostisch abgesichert auszuwählen bzw. selbst zu entwickeln.
Die Sonderschullehramtsanwärter/innen müssen sich ebenfalls darauf vorbereiten, dass Deutschunterricht den Schüler/innen mit dem Förderbedarf ganzheitliche Entwicklung einen Zugang zu Gedichten, Klang- und Sprachspielen, Erzählungen, Märchen und Sagen, einfachen Theaterstücken und Kinder- und Jugendbüchern vermittelt.
· Elternarbeit
Während der Ausbildungszeit werden die Sonderschullehramtsanwärter/innen in das komplexe Aufgabengebiet der ‚Elternarbeit’ eingeführt. Sie lernen durch geeignete Seminarmethoden die Vielfalt der schulischen Elternarbeit kennen, u.a. Elternabende, Hausbesuche, Ausbau helfender Netzwerke, Elternseminare, Kooperation mit Eltern und Behörden etc. Weiterhin können tangierende Themenkomplexe, z.B. Gesprächsführung, Interaktionstraining, Darstellung von Förderbedürfnissen und –notwendigkeiten, angesprochen werden.
Die Komplexität der Thematik ‚Elternarbeit’ verlangt von den Sonderschullehramtsanwärter/innen allerdings ein über das übliche Seminarniveau hinausreichendes Maß an eigenem Lern- und Fortbildungswillen.
· Gesetze, Erlasse und Verordnungen
Neben der Kenntnis grundlegender gesetzlicher Ausführungen zur Struktur und Arbeitsweise der Schule mit dem Förderschwerpunkt ganzheitliche Entwicklung bzw. den entsprechenden Bildungsgängen an anderen Sonderschulformen aus Schulgesetz, Sonderschulordnung, den Richtlinien und dem Lehrplan, erarbeiten sich die Sonderschullehramtsanwärter/innen weitere für die Schülerschaft der SFG bedeutsame Rechtsvorschriften. Hierzu zählen insbesondere Gesetzestexte, die für volljährige Menschen mit dem Förderbedarf ganzheitliche Entwicklung und deren zukünftiger Lebensführung von Belang sind.
· Förderung von Schüler/innen mit einer schwerstmehrfachen Behinderung
Die Förderung von Schüler/innen mit einer schwerstmehrfachen Behinderung verlangt insbesondere ein tragendes und bedeutungsvolles dialogisches Miteinander von Lehrkräft(en) und Schüler/in(nen). Diese grundlegende Interaktion muss ergänzt werden durch differenzierte Beobachtungen aller Entwicklungsbereiche in den unterschiedlichsten unterrichtlichen Situationen und den spezifischen Fördermaßnahmen.
Unterrichtliche Themen adäquat und inhaltlich korrekt auf die Bedürfnisse und Notwendigkeiten von Schüler/innen mit einer schwerstmehrfachen Behinderung abzustimmen und zu transferieren wird während der Ausbildung geübt und entdeckt.
Bedeutsame Grundforderungen für den Unterricht mit Kindern und Jugendlichen mit einer schwerstmehrfachen Behinderung – grundlegende Prinzipien, Kommunikationsbedingungen, Anforderungen an die Raum- und Tagesgestaltung, personale Voraussetzungen usw. – werden dabei mit unterschiedlichen didaktischen Konzeptionen wie Basale Stimulation, Basale Kommunikation, Basale Aktivierung, Aktives Lernen u.a.m. reflektiert. Als weitere Inhalte können je nach Erfordernissen auch sehr spezielle Fragestellungen thematisiert werden wie: Sicherung existentieller Lebensbedürfnisse im Unterricht, Umgang mit Epilepsie, Stereotypien und selbstverletzendes Verhalten, progrediente Erkrankungen, integrative Förderung u.a.m.
· Integration
In der Ausbildung werden unterschiedliche Konzepte unterrichtlicher Arbeit miteinander verglichen und verhandelt. Auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen können notwendige und bestehende Rahmenbedingungen erörtert und diskutiert werden. Möglichkeiten und Modelle der schulischen Integration oder der gemeinsamen Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung können für verschiedene Lernorte geprüft werden.
Sinnvoll für die Ausbildung von Sonderschullehramtsanwärter/innen ist das unmittelbare Kennenlernen von Unterricht integrativer Maßnahmen, sei es durch Hospitation oder durch den Einsatz von Sonderschullehramtsanwärter/innen in einer Klasse mit integrativen Angeboten.
· Kommunikation
In der Schule mit dem Förderschwerpunkt ganzheitliche Entwicklung befinden sich immer häufiger nichtsprechende Kinder, die neben der Sprach- und Kommunikationsförderung besonderer Kommunikationshilfen bedürfen.
Um Schüler/innen mit dem Förderbedarf ganzheitliche Entwicklung Kommunikation zu ermöglichen, sollten die Sonderschullehramtsanwärter/innen die Erstellung von Kommunikationsprofilen nach festgelegten Kriterien erproben. Dabei ist der Einsatz geeigneter Hilfsmittel – körpereigen und körperfremde Gebärdensysteme / elektronische und nicht elektronische Symbolsysteme – zu berücksichtigen.
Deshalb stellt der Bereich der Unterstützten Kommunikation einen weiteren Ausbildungsschwerpunkt dar. Kenntnisse über mögliche Kommunikationsmittel, deren Vor- und Nachteile, werden mit Möglichkeiten der unterrichtlichen Umsetzung auf ihre Nützlichkeit überprüft..
Die Kommunikations- und Sprachförderung als durchgängiges Prinzip von Unterricht ist ein weiterer Teil der Ausbildung. Die Möglichkeiten der ganzheitlichen Kommunikationsförderung nichtsprechender und sprechender Kinder und Jugendlicher mit dem Förderbedarf ganzheitliche Entwicklung, der Sprachanbahnung und des Sprachaufbaus und -entwicklung werden behandelt. Hierbei sind wesentliche Komponenten aus der Sprachförderung (z.B. die semantisch-lexikalische, phonologisch-phonetische, kommunikativ-pragmatische und syntaktisch-morphologisch Ebene) zu einzubeziehen.
· Mathematik als Ordnen von Wirklichkeit
Ordnen der Wirklichkeit meint im Zusammenhang mit mathematischen Prozessen die Strukturierung und Ordnung der erlebten Welt, die Aufstellung von Regeln und Grundsätzen, den Erwerb von Begriffen und Fähigkeiten zur Bewältigung des Alltags, um so das Handeln und Denken zu koordinieren und an situative Umstände anzupassen.
Dies setzt Kenntnisse bei den Sonderschullehramtsanwärter/innen über Inhalte im basalen, pränumerischen und numerischen Bereich voraus, die dann im Unterricht unter Berücksichtigung der Lernvoraussetzungen der Schüler/innen in sinnstiftende Alltagssituationen eingebettet werden müssen.
Fachdidaktische und methodische Wege, wie Kinder und Jugendliche mit dem Förderbedarf ganzheitliche Entwicklung in diesem Sinne die Welt ordnen können, sind in der Ausbildung zu bedenken.
· Religiöse / ethische Aspekte
Dem Religionsunterricht an der SFG kommt die Aufgabe zu, die religiösen und ethischen Dimensionen des Menschsein zu erschließen und zu vertiefen. Ein solcher Religionsunterricht nimmt die Bedürfnisse der Schüler/innen mit dem Förderbedarf ganzheitliche Entwicklung ernst und versucht ihnen zu helfen, mit Situationen, Anforderungen und Problemen des eigenen Lebens in unserer Zeit zurechtzukommen.
Die Verknüpfung konkreter Lebensbereiche mit glaubensorientierten und religiösen Aspekten kann über Lernbereiche wie: ‚Ich bin wertvoll’, ‚Menschen leben mit mir’, ‚Welt wahrnehmen’ und ‚Schöpfung entdecken’ realisiert werden.
In der Ausbildung soll die Chance gegeben werden die vorgenannten Inhalte ganzheitlich umzusetzen. Adäquate Methoden z.B. aus der Symboldidaktik oder entsprechend dem Korrelationsprinzip können erprobt werden, so dass die persönliche Lebensgestaltung immer mit gedacht ist.
Wege und Möglichkeiten der notwendigen Kooperationen mit kirchlichen Gemeinden und Pfarreien und das Thematisieren von Möglichkeiten der Zusammenarbeit im Rahmen außerschulischer Bereiche wie Konfirmation, Kommunion oder Firmung können gesucht und beschritten werden.
· Rhythmisch-musikalische Erziehung als Unterrichtsprinzip
Rhythmisch – musikalische Erziehung wird verstanden als ganzheitlich orientiertes methodisches Unterrichtsverfahren, das sowohl durch Rhythmik als auch zur Rhythmik erzieht.
Durch die rhythmischen Mittel Bewegung, Musik, Sprache und ausgewählte Medien werden vielfältige erlebnisorientierte Lernprozesse initiiert, die inhaltlich auf die Ausbildung der Lernbereiche Wahrnehmung, Denken, Sprache, Konzentration, Kreativität, Ausdrucksverhalten und Sozialverhalten ausgerichtet sind.
Durch einen bewussten spielerischen Einsatz musikalischer Elemente über Bewegung gilt es vornehmlich Menschen mit dem Förderbedarf ganzheitliche Entwicklung als Person zu stärken, ihnen über den Einsatz ausgesuchter Materialien und Medien grundlegende Sachkompetenzen zu ermöglichen sowie soziale Kompetenzen im Rahmen von Partner- und Gruppenerfahrungen zu fördern.
Im Sinne einer Erziehung zur Rhythmik sind eher musikalische Umgangsweisen betreffende Förderangebote wie Musikhören, Instrumentalspiel, Improvisation, Tanzen und der Umgang mit der Stimme anzustreben.
· Sachunterrichtliche Prinzipien und Themenschwerpunkte
Sachunterricht als Prinzip an der SFG stellt Verknüpfungen zwischen handelnden Personen, den Sachen und Bedingungen der konkreten Welt und den erlebten Situationen her. Somit verbindet Sachunterricht Sprache und Mathematik, leitet zum Handeln an und stützt und erweitert Kompetenzen und Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen mit dem Förderbedarf ganzheitliche Entwicklung. Dies muss mehrperspektivisch und ganzheitlich angelegt sein und Eigenaktivität fordern und fördern.
Die Sonderschullehramtsanwärter/innen sollen sich im Rahmen ihrer Ausbildung befähigen, elementare und exemplarische Sachbegegnung auf dem Hintergrund der Alltagswirklichkeit und des individuellen Förderbedarfs zu planen und unterrichtlich umzusetzen. Es gilt Themenkomplexe für Schüler/innen der SFG und der entsprechenden Bildungsgängen in Sinnzusammenhänge eingebettet, komplex und nicht isoliert aufzuarbeiten. Exemplarisch kann dies in der Ausbildung sowohl an ausgesuchten Themen theoretisch als auch anhand ausgewählter Problemfelder praktisch entwickelt werden.
· Schullandheimaufenthalte und Klassenfahrten
Die Sonderschullehramtsanwärter/innen sollen sich im Rahmen ihrer Ausbildung mit der Thematik der Schullandheimaufenthalte und Klassenfahrten als besondere und bedeutsame Lern- und Begegnungsmöglichkeiten befassen.
Die Auswahl der Unterkünfte und Orte, die Planung und Gestaltung der Aufenthalte als eine Unterrichtsmaßnahme, die Vorbereitung und Nachbereitung der Fahrten und Aufenthalte muss auf die Bedürfnisse und Notwendigkeiten einzelner Schüler/innen zugeschnitten sein, Interaktionen zwischen Lehrkräften und Schüler/innen ermöglichen, soziales Lernen begünstigen und einen außerschulischen Rahmen bieten, der Lern und Begegnungsmöglichkeiten bietet. Beispielhaft sollen die Sonderschullehramtsanwärter/innen diese Punkte anhand vorgestellter Situationen überlegen und, falls möglich, durch eine Begleitung einer Klasse auf Klassenfahrt bzw. bei einem Schullandheimaufenthalt direkt erleben.
· Sexualerziehung
Sexualerziehung als durchgängig bedeutsames Thema an der SFG hat bei Kindern und Jugendlichen mit dem Förderbedarf ganzheitliche Entwicklung eine hohe Bedeutung. Neben der Vermittlung grundlegender Inhalte hinsichtlich der Wahrnehmung des eigenen Körpers, dem Kennenlernen der Körperteile und ihrer Funktionen sowie der Sexualorgane einschließlich Fortpflanzung, sind weitere Inhalte wie Gefühle, Liebe, Partnerschaft (besonders in der Ober- und Werkstufe) bedeutsam.
Im Wissen darum, dass Sexualerziehung geprägt ist von der persönlichen Biographie und dem eigenen Selbstbild haben die Sonderschullehramtsanwärter/innen Gelegenheit sich mit den moralischen, ethischen und rechtlichen Fragen zu den Inhalten „Recht auf selbstbestimmte Sexualität“, „Eigene Kinder“ und „Eheschließung“ auseinander zu setzen.
Darüber hinaus sind relevante Rechtsvorschriften zu Fragen der Sterilisierung, Volljährigkeit und Betreuung durch fremde Personen von großer Bedeutung.
· Spiel / Theater
Das Spiel als eine Möglichkeit die Welt in einem geschützten Rahmen zu erforschen, kann an der SFG sowohl Freizeit- als auch Lerncharakter annehmen.
Für Sonderschullehramtsanwärter/innen ist die Auseinandersetzung mit der Frage ‚Was ist Spiel?’ genauso relevant wie die verschiedenen Funktionen des Spiels zu analysieren. Welche Lernangebote, Fördermaßnahmen und Spielmöglichkeiten sich im Schulalltag ergeben und sinnvoll eingesetzt werden können, gilt es in der Ausbildung zu bedenken und anhand praktischer Erprobungen zu diskutieren.
Theaterspielen eröffnet für Kindern und Jugendlichen mit dem Förderbedarf ganzheitliche Entwicklung grundsätzlich vielfältig Räume, darstellerisch aktiv zu werden. Das Theaterspiel trägt maßgeblich zur Persönlichkeitsentwicklung bei.
Die Sonderschullehramtsanwärter/innen sollen in die Theaterarbeit eingeführt werden und exemplarisch eine Form des Theaterspiels, beispielsweise das Schattenspiel, erproben.
· Bewegungserziehung, Psychomotorik und Sport
Psychomotorik als weiteres Unterrichtsprinzip beinhaltet als wesentliches Ziel die Förderung der Handlungskompetenz in ihren Teilaspekten Ich-, Sach-, Sozialkompetenz.
Die Wahrnehmungsförderung bildet die Grundlage sowohl für motorische als auch kognitive Prozesse und dient somit als wichtiger Baustein für komplexe Handlungen und Aktionen.
Die Bewegungserziehung an der SFG erarbeitet elementare motorische Fähigkeiten und Fertigkeiten und orientiert sich an den Prinzipien der Psychomotorik.
Auf dieser Grundlage können sport- und wettkampforientierte Angebote gesetzt werden, die umfassende motorische und kognitive Befähigungen verlangen (z.B. Ballsportarten, Geräteturnen).
Die Sonderschullehramtsanwärter/innen sollen mit den Konzepten der Bewegungserziehung, der Psychomotorik und aus den bereichen des Faches Sport vertraut werden und Praxis erleben, die diese Bereiche abdeckt.
· Unterrichtskonzepte
Das Modell des Handlungsorientierten Unterrichts wird gleich zu Beginn der Ausbildung grundgelegt, um den Schülerinnen und Schülern an der Schule mit dem Förderschwerpunkt ganzheitliche Entwicklung ein entwicklungsorientiertes und realitätsnahes Lernen zu ermöglichen . Durch das Anbahnen von Teilaspekten (Handlungsorientierung, -planung,
-ausführung , -kontrolle) wird ein Bewusstmachen des Lernprozesses initiiert, um so größtmögliche Selbstständigkeit anzubahnen.
Schließlich sollen während der Ausbildung Formen des Offenen Unterrichts im Hinblick auf Bedingungen, Lernhilfen und Ausführung bedacht werden.
Insgesamt wird eine angemessene Methodenvielfalt in den Unterrichtsstunden und über die Schulzeit hinweg erwartet.
· Werkstufenarbeit und Berufsvorbereitung
Der besondere Bildungsauftrag der Werkstufe liegt in einer elementaren beruflichen Vorbereitung der Jugendlichen mit dem Förderbedarf ganzheitliche Entwicklung.
Da hiermit weniger die Vorbereitung auf einen bestimmten Beruf sondern eher auf die Berufsrolle angestrebt wird, werden intentional Grundkenntnisse, Grundfertigkeiten, Schlüsselqualifikationen und eine Arbeitshaltung verfolgt, die für die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit eine zentrale Rolle spielen.
Neben der besonderen Bedeutung selbstständigen und eigenverantwortlichen Handelns im Rahmen der beruflichen Bildung (projektorientierte Vorhaben im Bereich der Arbeitslehre, Werkstatt- und Betriebspraktika), der allgemeinen Bildung (sachkundlich orientierte Vorhaben, selbständige Lebensführung) und der Freizeiterziehung, erfahren in der Ausbildung auszuwählende Lehr- und Lernformen wie projektorientierter Unterricht, Lehrgänge, Erkundung oder Fertigungsaufgaben etc. eine besondere Akzentuierung.
Die zukünftige berufliche Situation muss auf die Bedürfnisse und Notwendigkeiten des Jugendlichen mit dem Förderbedarf ganzheitliche Entwicklung genauestens abgestimmt sein und kann unterschiedliche Ausprägungen erfahren: in der Tagesförderstätte, der Werkstatt für Behinderte, innerhalb einer Arbeitsassistenz, durch unterstützte Beschäftigung und somit durch eine betreute Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt oder auf dem freien Arbeitsmarkt. Daher ist die Kenntnis dieser verschiedenen beruflichen Angebote für Sonderschullehramtsanwärter/innen empfohlen.
Darüber hinaus sind während der Ausbildung die perönlichkeitsstützenden Aufgabenfelder des Werkstufenunterrichts bedeutsam: Wohnen, partnerschaftliche Beziehungen, Sexualität, Nutzen öffentlicher Einrichtungen, Freizeiterziehung und die Anbahnung, Festigung und Vertiefung sozialer Kontakte.
· Sozial-emotionaler Entwicklungsbereich
Während der täglichen Arbeit und des miteinander Umgehens ergeben sich Situationen, in denen aufgestellte Regeln und Absprachen und zwischenmenschliche Umgangsweisen nicht beachtet, verletzt oder missachtet werden. Ob dies bewusst oder unbewusst geschieht, ob dies von Schüler- oder von Lehrerseite erfolgt – Aufgabe des Unterrichts ist es, einen für alle Beteiligte sinnvollen, sozial und emotional passenden und tragfähigen Modus zu finden, durch den gemeinsames Leben und Lernen möglich ist.
In der Ausbildung sind daher geeignete Ansätze aus der Pädagogik, Psychologie und Soziologie auf ihre unterrichtliche Tauglichkeit im jeweiligen individuellen Fall zu erörtern, bzw. es müssen anhand von Fallbeispielen oder anderer zweckmäßiger Modelle Transfermöglichkeiten überlegt und erprobt werden.
Beachtung muss hier auch die Frage finden, wie dies mit Menschen mit dem Förderbedarf ganzheitliche Entwicklung möglich ist, die sich weder verbal noch mimisch-gestisch mitteilen können bzw. Sprache nicht oder nur eingeschränkt verstehen, was sowohl die Interpretation wie den Zugang zu diesen Kindern und jugendlichen erschwert.
· Zeugnisse und Beurteilungen
In engem Zusammenhang mit der Förderdiagnostik und der Unterrichtsbeobachtung steht der Bereich ‚Zeugnisse und Beurteilungen’. In der Schule mit dem Förderschwerpunkt ganzheitliche Entwicklung erfolgen die Beschreibungen anhand der vorhandenen Kompetenzen.
Beurteilungen dienen der Feststellung, nicht Festschreibung des momentanen Lern- und Leistungsstandes und können zu unterschiedlichen Anlässen (etwa zur Erstellung einer Bedingungsanalyse, von Entwicklungsberichten oder Zeugnissen) angefertigt werden.
Die Sonderschullehramtsanwärter/innen sollen in ihrer Ausbildung mit den rechtlichen Grundlagen einer Beurteilung bzw. der Zeugniserstellung vertraut werden und sich befähigen, (individuelle) Kriterien für die Erstellung einer Beurteilung zu entwickeln. Hilfreiche Fragestellungen hierfür können sein: Worauf hin soll beurteilt werden?, Welche Maßstäbe und Kriterien werden angelegt?, An welche Zielgruppe ist die Beurteilung gerichtet? Weiterhin sollen sich die Sonderschullehramtsanwärter/innen darin üben den Lernstand beziehungsweise die Lernfortschritte von Kindern und Jugendlichen mit dem Förderbedarf ganzheitliche Entwicklung, etwa in den Bereichen der kognitiven, sozialen, motorischen und psychischen Entwicklung, zu beschreiben.
· Zusammenarbeit im Team
Während der gesamten Ausbildungszeit ist während des Unterrichts die unterrichtliche Kooperation mitzubedenken. Wie Aufgaben im Unterricht geplant, verteilt und verantwortet und reflektiert werden, ist gerade für die SFG von tragender Bedeutung. Taugliche Konzepte der Zusammenarbeit werden in den Seminaren beraten.